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Stressmanagement

1. Stress – was ist das eigentlich?

Stress - noch vor 50 Jahren kannte kaum jemand dieses Wort. Allenfalls einige Materialwissenschaftler benutzten es und bezeichneten damit mechanische Belastungen, die auf feste Körper einwirken und diese verformen. In den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts dann führte der österreichisch-kanadische Arzt und Biochemiker Hans Selye (1907 – 1982) den Stressbegriff in die Medizin ein. Er bezeichnete damit die Auswirkungen von Belastungen auf lebende Körper. Seine Forschungsarbeiten zeigten, dass unterschiedlichste körperliche und seelische Belastungen zu charakteristischen körperlichen Veränderungen führen, die, wenn sie über längere Zeit andauern, eine ernste Bedrohung für die Gesundheit darstellen können.

Dabei werden in der heutigen Stressforschung zwischen drei wesentlichen Aspekten unterschieden: Den Stressoren, den physiologischen Stressreaktionen und den persönlichen Stressverstärkern.

1.1. Stressoren – Was uns stresst?

Kurzform:
Stressoren sind Anforderungen, deren erfolgreiche Bewältigung wir als subjektiv bedeutsam aber unsicher einschätzen.

Langform: Tagtäglich bewältigen wir in aller Regel erfolgreich eine Vielzahl von Anforderungen, die sich uns im Beruf und im Privatleben stellen. Ausbildung und Erfahrung haben uns Routinen entwickeln lassen, mit deren Hilfe wir die meisten alltäglichen Anforderungen ohne Stress in den Griff bekommen. Immer wieder allerdings passiert es, dass wir in Situationen geraten, die uns mit Anforderungen und Aufgaben konfrontieren, die unsere bis dahin ausgebildeten Routinen auf das Äußerste beanspruchen oder übersteigen. Situationen, in denen wir unsicher sind, was zu tun ist, und uns anstrengen müssen, um neue Wege zu finden. Situationen, die unser körperliches und seelisches Gleichgewicht bedrohen, die das Erreichen von bedeutsamen Zielen oder die Erfüllung von wichtigen Motiven und Bedürfnissen gefährden. Kurzum Situationen, in denen wir in Stress geraten. 

Diese Anforderungen sind ein wichtiger Bestandteil des Lebens. Wir brauchen sie, um uns weiterzuentwickeln. Würden wir uns niemals Anforderungen aussetzen, deren Bewältigung wir uns nicht sicher sind, würden wir uns also immer nur mit solchen Anforderungen konfrontieren, bei denen wir aufgrund bisheriger Erfahrungen wissen, dass wir sie bewältigen können, dann würden wir auf der Stelle treten. Stressoren stellen Wachstumsreize dar, durch die Auseinandersetzung mit ihnen können wir neue Fähigkeiten entwickeln, unsere Fertigkeiten verbessern, neue Erkenntnisse gewinnen.

Stressoren können in der physikalischen Umwelt entstehen bspw. in Form von Lärm, starker Hitze oder Kälte. Auch der eigene Körper kann zu einer Quelle von Stressoren werden. Paradebeispiel dafür sind Schmerzen, besonders chronische Schmerzzustände, aber auch Hunger und Durst, Bewegungseinschränkungen oder Juckreiz können Stressreaktionen auslösen. Für viele von uns stehen mentale Stressoren, die im Zusammenhang mit Leistungsanforderungen entstehen, im Vordergrund des Stresserlebens. Prüfungen gehören hier ebenso dazu wie ständiger Zeitdruck, das Gefühl von Überforderung oder eine hohe Verantwortung. Neben Leistungs-Stressoren spielen soziale Stressoren, also Anforderungen, die im zwischenmenschlichen Kontakt entstehen, eine hervorragende Rolle. Ungelöste, schwelende Konflikte mit anderen Menschen, Konkurrenzsituationen, aber auch Isolation und ganz besonders auch Trennungs- und Verlusterfahrungen sind Beispiele für solche zwischenmenschliche Stressoren.

1.2. Stressreaktion – Antworten auf allen Ebenen!

Im Stress reagieren wir immer als ganzer Mensch mit Herz und Muskeln, mit Gefühlen und mit Gedanken sowie mit typischen Handlungen.

Auf der körperlichen Ebene  kommt es unter Stress zu einer Vielzahl von Veränderungen, die insgesamt  eine körperliche Aktivierung und Energiemobilisierung bewirken. Spürbar ist das z.B. an einem schnelleren Herzschlag, einer erhöhten Muskelspannung oder einer schnelleren Atmung. Die körperliche Stressreaktion versetzt uns innerhalb kürzester Zeit in Handlungsbereitschaft. Wird diese Aktivierungsreaktion allerdings über längere Zeit aufrechterhalten, weil Belastungen anhalten oder immer wiederkehren, so führt dies allmählich zu Erschöpfungszuständen und zu längerfristig negativen Folgen für die Gesundheit.

Häufige gedankliche und gefühlsmäßige Stressreaktionen sind z.B.:
• Gefühle der inneren Unruhe, der Nervosität und des Gehetztseins.
• Gefühle und Gedanken der Unzufriedenheit, des Ärgers, der Wut.
• Angst, z.B. zu versagen, sich zu blamieren.
• Gefühle und Gedanken der Hilflosigkeit
• u.v.m...

Typische Stressverhaltensweisen sind z.B.:
• hastiges und ungeduldiges Verhalten, z.B. das Essen schnell hinunterschlingen, Pausen abkürzen oder ganz ausfallen lassen, schnell und abgehakt sprechen, andere unterbrechen.
• Betäubungsverhalten, z.B. mehr und unkontrolliert rauchen, essen  oder Alkohol oder Kaffee trinken, Schmerz-, Beruhigungs- oder Aufputschmedikamente einnehmen.
• unkoordiniertes Arbeitsverhalten,
• u.v.m

Stressreaktionen bewirken also eine körperliche, emotionale und mentale Aktivierung und Energiemobilisierung.



1.3. Persönliche Stressverstärker – Hausgemachter Stress!

„Es sind nicht die Dinge oder Ereignisse an sich, die uns beunruhigen, sondern die Einstellungen und Meinungen, die wir zu den Dingen haben.“                                                 Epiktet (griechischer Philosoph der Stoa, 50 -138 n. Chr.)

Entscheidend für das richtige Verständnis des Stressgeschehens ist, dass es auf der subjektiven Einschätzung der Anforderungen und der eigenen Fähigkeiten und Ressourcen beruht. Es kommt nicht darauf an, ob die Situation, in der wir uns gerade befinden, „objektiv“ gesehen oder von außen betrachtet, eine Überforderung darstellt. Entscheidend ist allein, dass wir diese Situation so erleben und interpretieren.

Schon die Alltagsbeobachtung lehrt, dass unterschiedliche Menschen auf ein- und dieselbe Situation (z.B. eine Prüfung, einen Streit, einen verlegten Haustürschlüssel) mit unterschiedlich heftigen Stressreaktionen antworten. Was den einen auf die Palme bringt, lässt den anderen kalt. Der Grund für diese Unterschiede liegt darin, dass die Bewertung einer neuen Situation von unseren jeweiligen persönlichen Vorerfahrungen abhängt, die unsere Erwartungen und Befürchtungen, unsere Motive und Ziele, unsere Ansprüche an uns selbst und an andere prägen.

Ein ausgeprägtes Profilierungsstreben, Perfektionsstreben, Ungeduld und besonders auch die Unfähigkeit, eigene Leistungsgrenzen zu akzeptieren, sind weit verbreitete Beispiele für persönliche Stress-Verstärker. Die Vorstellung, selbst unentbehrlich zu sein, sowie eine „Einzelkämpfer-Mentalität“, die es nicht erlaubt, Unterstützung von anderen anzunehmen, kommen vielfach stressverschärfend hinzu.


2.  Was können wir tun? - Die 3 Säulen des Stressmanagement im Überblick

Ausgehend von dem dreiteiligen Stressprozess können wir 3 Hauptsäulen des Stressmanagements unterscheiden:

2.1. Ansatzpunkt Stressoren: Das Ziel besteht hier darin, Stress erst gar nicht entstehen zu lassen. Dies können wir erreichen, indem wir auf die äußeren Anforderungen, also die Stressoren im beruflichen und privaten Bereich Einfluss nehmen, sie verändern und soweit möglich, verringern oder ganz abbauen, z.B. durch Umorganisation des Arbeitsplatzes, durch Veränderung von Arbeitsabläufen, durch die Organisation von Hilfen etc. Zum anderen können wir der Entstehung von Stress auch dadurch vorbeugen, dass wir unsere eigenen Kompetenzen zur Anforderungsbewältigung entwickeln. Stressmanagement-Experten sprechen bei diesem Ansatzpunkt auch von instrumentellem Stressmanagement bzw. der "instrumentellen Stresskompetenz".

2.2. Ansatzpunkt Stressreaktionen: Hier geht es darum, bestehende körperliche Anspannung zu lösen, innere Unruhe und Nervosität zu dämpfen sowie die eigene Widerstandskraft gegenüber Belastungen längerfristig zu erhalten. Es geht um Erholung, Entspannung und Ausgleich. Der Fachausdruck hierfür lautet regeneratives Stressmanagement bzw. "regenerative Stresskompetenz".

2.3. Ansatzpunkt Persönliche Stressverarbeitung: Hier geht es darum, sich selbstkritisch eigener stresserzeugender oder -verschärfender Einstellungen, Bewertungen und gedanklicher Muster bewusst zu werden, diese allmählich zu verändern und durch förderliche Gedanken und Einstellungen zu ersetzen. Die Experten sprechen in diesem Fall auch von mentalem Stressmanagement bzw. "mentaler Stresskompetenz".


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